Samstag, 13. September 2014

Szenen eines Weichenumbaus: Thalheim-Pöls, 1987

In Thalheim-Pöls wurden im Jahre 1987 neue Signale aufgestellt und die Weichen mit elektrischen Antrieben versehen. Zufällig bin ich dort vorbeigestolpert und habe den Umbau der Weiche 3 mit ein paar Fotos dokumentiert.

Die Fahrdienstleitung war mit ihrem ganzen Befehlswerk in einen Container vor dem Bahnhofsgebäude übersiedelt. Hier sieht man den etwas knapp neben der Tür aufgestellten Rankapparat mit Felderstreckenblock auf beiden Seiten:

Befehlswerk, Fdl, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Am Blockapparat ist noch das Anfangsfeld Richtung Judenburg geblockt, vermutlich von dem Zug, mit dem ich in Thalheim-Pöls angekommen bin. Am Ss-Feld rechts oben fehlen schon die Gehäuseschrauben und insbesondere die Plombierung, ein nicht mehr vorschriftsgemäßer Zustand:

Blockfelder und Blockaufsatz, Fdl, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Aber jetzt begeben wir uns aufs Stellwerk 1. Hier sieht man die linke Hälfte der Hebelbank, dahinter einen sich zu schwungvoll bewegenden, am Umbau beteiligten Signalmeister. Thalheim-Pöls hatte auf dieser Seite nur eine einfache Gleisverbindung (wie man auch am Gleisplan bei sporenplan.nl sieht), daher war eine Einfahrt nur auf die Gleise 2 und 4 möglich. Eigentlich hätte dafür eine einzelne Fahrstraßenknagge gereicht – warum hier zwei vorgesehen waren, weiß ich nicht:

Hebelbank, Stw.1, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Hier sieht man mit einigen Spiegelungen den Blockapparat. Die Halttaste für das Ersatzsignal des Einfahrsignals war auf einem freien Blockfeldplatz eingebaut worden. Diesen "Missbrauch" von Blockfeldern habe ich relativ häufig auf Einheitsstellwerken gefunden (es gibt eine ganze Reihe von Bildern dazu in diesem Blog), auf 5007er-Stellwerken sind sie mir kaum begegnet. Eine Zweitastenbedienung mit zusätzlicher Gruppentaste hat man sich in solchen Fällen übrigens prinzipiell erspart – die Annahme war wohl, dass man eine solche Taste kaum versehentlich drücken kann.

Die Tastensperre der Ausfahrt ist hier übrigens ausgelöst, sodass gleich darauf der Befehl zurückgeblockt werden kann, indem Be- und Ts-Feld gemeinsam geblockt werden.

Hinter dem Blockapparat sieht man den offenen Schaltschrank der Stromversorgung, Signalrelais und Signalanzeige. Leider habe ich mir damals überhaupt keine Zeit genommen, diese Anlage im Detail zu fotografieren – und ohne Schaltplan wäre das so oder so nur Stückwerk gewesen. So bleibt es bei diesem einen Foto, das noch ein altes Innenleben erahnen lässt:

Blockapparat, Stw.1, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Auf der Hebelbank steht hier die Weiche 4 in die Ablenkung und ist auch geriegelt, im zweiten Fensterchen des Gleisanzeigers sieht man auch die Zahl 4, die entsprechende Fahrstraßenknagge ist umgelegt, und am vorherigen Bild sieht man auch, dass die Fahrstraße elektrisch festgelegt ist:

Hebelbank, Stw.1, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Etwas erstaunlich ist dieses Bild: Es ist eindeutig das Foto eines Schaltpultes zum Stellen eines Hauptsignals. Allerdings gibt es ja auf der Hebelbank unterhalb des Blockapparats dafür zwei Knaggen! Und es wäre noch erstaunlicher, wenn hier ein Ersatzsignal gestellt werden könnte: Das liegt ja ausschließlich in der Verantwortung des Fahrdienstleiters, und am zweiten Bild des Befehlswerks sind auch die Signaltasten "ST Ers.Sig.A" und "ST Ers.Sig.Z" deutlich zu erkennen:

Signalpult für ein unbekanntes Signal, Stw.1, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Aber jetzt folgen die Bilder des Umbaus der Weiche 3. Bevor wir uns die Bilder dazu ansehen, werfen wir noch einen kurzen Blick auf das vorletzte Bild, wo man links neben den nach oben stehenden Hebeln der Weiche 4 den Weichenhebel der Weiche 3 sehen kann – er wird bald nicht mehr an seinem Platz sein. Diese Weiche brauchte übrigens keinen Riegel, weil sie nicht von Zügen gegen die Spitze befahren werden konnte – das erleichtert den Umbau.

Am ersten Bild der Umbausequenz ist der Weichenantrieb noch angebaut. Das Weichensignal wird leider vom Herren ganz links verdeckt, der seine rechte Hand am Griff am Stellgewicht hat. Der Kollege dahinter lehnt gemütlich auf dem Weichensignal und wartet darauf, dass an der rechten Zunge das Schubriegelschloss montiert wird, das zur Wahrung der Signalabhängigkeit nach dem Ausbau des Antriebs unumgänglich nötig ist. An der linken Zunge sieht man schön den Klammerspitzenverschluss:

Umbau Weiche 3, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Kurz darauf ist auch an der linken Zunge ein Schubriegelschloss montiert (man sieht es gelb an der Weiche), und nachdem die Bockstange des Weichensignals abgebunden war, konnte dieses entfernt werden – am nächsten Bild liegt es schon am Boden.
Der Umbau erforderte übrigens auch den Einbau mindestens einer neuen Zunge und Backenschiene, weil diese ja nun isoliert sein mussten. Auf dem Bild sieht man relativ deutlich die noch schön hellgrau gestrichenen Isolierstöße in der Weiche sowie rechts, zwischen den Hauptgleisen, die ausgebauten Weichenteile.
Weit im Hintergrund steht die 2060.053 mit ein paar Güterwagen herum – ich nehme an, dass sie wegen des Umbaus hier war, weil der Fahrverschub (z.B. des mit Holz beladenen Wagens auf dem Stutzen) schon lange nicht mehr von solchen schwachen Maschinen erledigt wurde. Und links daneben kann man vor den alten die neuen Ausfahrsignale, natürlich mit weggedrehten Schirmen, sehen:

Umbau Weiche 3, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Am nächsten Bild sieht man den Weichenantrieb (das Innenleben eines solchen Antriebs kann man übrigens im Posting über die Brigittenau sehen). Er ist noch an seinem Platz, aber die Stellstange, die den Antrieb mit der Schieberstange verbindet, fehlt schon. Die Schieberstange muss übrigens nun auch die beiden Zungen voneinander isolieren – man erkennt die isolierende Verbindung rechts vom Auge in der Mitte, wo die Stellstange angreift. Deutlich ist auf dem Bild auch das Schubriegelschluss für die linke Zunge zu erkennen, jenes für die rechte Zunge kann man nur erahnen:

Umbau Weiche 3, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Kurz darauf ist auch der Antrieb herausgewuchtet:

Umbau Weiche 3, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Am Stellwerk ist in der Zwischenzeit der Hebel abgebaut worden und durch ein Hebelersatzschloss mit nagelneuen Weichenschlüsseln ersetzt worden:

Hebelersatzschloss Weiche 3, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Und hier kommt der neue Antrieb! Vorne liegt der Einbaurahmen, mit dem er an den zwei Schwellen an der Weichenspitze befestigt wird, und links daneben der alte Weichenhebel, der damals wohl noch zur Aufarbeitung kam:

Umbau Weiche 3, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

(Der folgende Detailausschnitt zeigt, dass es sich tatsächlich um den ausgedienten Hebel der Weiche 3 handelt:)

Umbau Weiche 3, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Der Zugbetrieb bleibt deswegen nicht stehen – hier fährt ein Personenzug Richtung Judenburg über die momentan antriebslose Weiche. Der Einbaurahmen für den neuen Antrieb liegt schon bereit, und auf den ersten beiden Weichenschwellen sind auch die Bolzen für seine Befestigung angebracht:

1042.039 befährt Weiche 3, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Und ... das war's. Aus irgendeinem Grund war ich zu ungeduldig, um auf den vollständigen Einbau des Antriebs zu warten und ihn aufzunehmen.

Den Fuß eines der neuen Ausfahrsignale habe ich auch noch aufgenommen, vermutlich weil rund um ihn doch einiges weggegraben war:

Signalfuß eines Ausfahrsignals, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Aber nun geht es zum Stellwerk 2. Die Hebelbank dort war noch unversehrt, also ohne Umbauten. Diese Hebelbank steht übrigens nun im Eisenbahnmuseum Knittelfeld – allerdings hat in der Zeit seit 1987 noch ein kleinerer Umbau stattgefunden, denn auf dem Foto auf der Website von Knittelfeld ist ein großer Madnerhebel zu erkennen, den es im August 1987 noch nicht gab.
Wieder einmal liegt hier die Dienstkappe "kommod'" auf dem Schieberkasten:

Hebelbank, Gleisanzeiger und Blockapparat, Stw.2, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Am Gleisplan auf der Signalanzeige sieht man eine ganz seltene Besonderheit: Ein "Hosenträger", also eine symmetrische doppelte Gleisverbindung mit überkreuzenden Verbindungsgleisen. Wie die ihren Weg hierher gefunden hat, ist mir gänzlich unklar. Im Gegensatz zu dem, was nicht wenige Modellbahner glauben, werden solche Gleisverbindungen auf der großen Eisenbahn praktisch nie verwendet, sondern möglichst immer zwei einfache Gleisverbindungen hintereinander gebaut. Der Grund ist natürlich, dass die zusätzliche Kreuzung Geld sowohl bei der Anschaffung als auch bei der Wartung kostet, dem kein Nutzen gegenübersteht (Ausnahmefälle sind jene, wo der Platz extrem eng ist, sodass man die Länge für zwei hintereinanderliegende Verbindungen nicht hat – was eher typisch für U-Bahnen ist):

Schaltschrank für Signale und Stromversorgung und Signalanzeige, Stw.2, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Der Blockapparat war vollkommen analog zu jenem am Stellwerk 1 aufgebaut. Am unteren Schieberkasten sieht man die zwei Knaggen für Ausfahrsignale und Einfahrsignal, und in einem freien Blockfeld wieder die Halttaste für das Ersatzsignal:

Blockapparat, Stw.2, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Am Arbeitstisch stand diese Überwachung für vier Blinklichtanlagen:

Stw.2, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Wegen des folgenden Fotos würde ich mich mein restlichen Leben "in den Hintern beißen", wenn ich mich den dorthin beißen wollte und könnte: Eine 1042 fährt bei einer Einfahrt über den "Hosenträger" – aber aus irgendeinem Grund wird das Foto vollkommen unscharf. Ich nehme es trotzdem hier auf, weil es eben diese Besonderheit dokumentiert – freuen drüber tu' ich mich nicht.
Interessant ist die Position des Fahrleitungsmasten hinter der Lok, der offenbar zwischen den beiden Gleisen steht:

Doppelte Gleisverbindung und 1042, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Beim Stellwerk 1 habe ich's versäumt, aber hier habe ich ein Foto des Stellwerksgebäudes aufgenommen:

Stellwerk 2, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

Und zum Schluss sieht man auf diesem Bild das Bahnhofsgebäude. Davor ist der Weichenbautrupp zu einer wichtigen Besprechung versammelt, links daneben sieht man den Fahrdienstleitungscontainer samt überdachten Publikumsverkehrsfenster für den Fahrkartenverkauf:

Bahnhof, Thalheim-Pöls, 3.8.1987

4 Kommentare:

  1. Warum montiert der Signalmeister beim Weichenumbau ein Hebelersatzschloss? Elektrische Weichen werden doch mit Knebel gestellt. Wurde hier die elektrische Weiche nicht auf der Hebelbank gestellt? Diente das Hebelersatzschloss zur Verriegelung der Weiche?

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    1. So schnell geht das alles nicht - das neue Stellwerk ist ja noch nicht in Betrieb ... da sind vorher noch mehr Weichen umzubauen; und es dürfen keinesfalls zwei Stellwerke zugleich laufen - dann wäre ja unklar, welches die Verantwortung für die Signalabhängigkeit hat!

      Daher müssen also die umgebauten Weichen eine Zeitlang so liegen bleiben - mit zwei möglichen Varianten: (a) ohne Umstellmöglichkeit - das dadurch erreichte Gleis wird gesperrt; und die Weiche bleibt nur über die Schubriegelschlösser gesichert; oder (b) die Weiche erhält einen Stellbock für Ortsbedienung.

      Ein direktes elektrisches Anschließen hat sich zumindest damals, als es noch keine auf eine Hebelbank aufsetzbaren Weichenknebel gab, sondern diese in den Schieberkasten eingebaut werden hätten müssen (mit großem Aufwand nur für eine kurze Umbauzeit), de facto verboten (heute könnte es möglich sein, wenn alle Anschlüsse vorher hergerichtet sind).

      Der elektrische Weichenantrieb wurde - zusammen mit allen anderen im Bahnhof - direkt an das neue Stellwerk (ich würde raten, ein VGS80 - habe aber nicht nachgeschaut) angeschlossen, vorher lag sie nur so herum. Eventuell wurde er noch gar nicht mit der Stellstange verbunden, sodass das neue Stellwerk schon testbar war (Weichenantriebe bewegen sich), obwohl betrieblich noch das alte Stellwerk die "Hoheit über den Bahnhof" hatte und daher die Weichen sicherte.

      Ein mit Hebelersatzschloss gesicherte Weiche zählt als verriegelte Weiche, weil die Zungenlage über das Schubriegelschloss so genau festgelegt wird wie bei einem Weichenriegel.

      H.M.

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    2. Warum schreibst du immer Knaggen? Es sind Fahrstrassenknebel oder Signalknebel.Gruß aus Wien

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    3. Gute Anmerkung/Frage!

      In Österreich hieß das bis ca. in die 1930er Jahre "Knagge", der Begriff wurde auch in einigen wenigen Fachtexten so verwendet (die muss ich endlich mal raussuchen und zusammenstellen). Spätestens ab den 1940ern war der offizielle Begriff "Knebel". Die Fahrdienstleiter und Stellwerkswärter haben aber noch in den 1980ern, als ich hauptsächlich unterwegs war und fotografiert habe, zumindest südlich der Alpen und im Westen praktisch nur "Knagge" gesagt. Die letzte "offizielle" Verwendung dieses Wortes habe ich im Unfallbericht zu Steyregg ('Unerlaubtes Einlassen des Zuges 3870 in besetzten Gleisabschnitt') von 2007 gefunden, dort wird in einem Satz einmal "FF-Knacke" (so geschrieben!) und dann "FF-Knebel" verwendet.

      Als Erinnerung an diese Zeit habe ich in meinen ersten ca. 350 Postings das Wort "Knagge" verwendet, seither schreibe ich Knebel. Siehe dazu auch den Kommentar unter diesem Posting über Hermagor.

      H.M.

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