Donnerstag, 8. August 2013

Ein halbwegs einfaches Zentralschloss für Modellbahnen: Material und Konstruktionselemente

Nachdem ich im letzten Posting die grundlegenden Prinzipien des Schlosses gezeigt habe, kommen hier einige Vorschläge zu Material und Herstellung sowie einige interessante nicht ganz so offensichtliche Konstruktionsteile.


Material


Als Material sehe ich für fast alle Teile Acrylglas mit 4mm Stärke vor, das sich sehr einfach bearbeiten lässt. Nach meinen Versuchen sind auch die schmalsten Schlüsselzacken mit ca. 2mm Breite stabil genug, wenn man die Schlüssel nicht mit Gewalt dreht.

Statt des Acrylglases kann man auch andere Materialien verwenden, etwa Aluminium oder sogar Stahl – die Konstruktion hängt nicht von diesem Material ab.
  • Aluminium hat allerdings den Nachteil, dass es weich ist und sich leicht verbiegt. Zumindest die Schlüssel und Prüfprofile sind daher wahrscheinlich unstabiler als jene aus Acrylglas.
  • Stahl ist natürlich der echte Werkstoff für Sicherungsanlagen. Allerdings muss man mit seiner Bearbeitung vertraut sein. Auch würde man manche Teile aus Stahl ein wenig anders konstruieren, vor allem wenn man voraussetzen würde, dass eine Drehmaschine zur Verfügung steht – was ich nicht tue.
  • Interessant ist auch eine Mischbauweise: untenliegende Schieber, Schlüssel und Prüfprofile aus Stahl, obenliegende Schieber und insbesondere die Deckplatte aber aus Acrylglas – dann kann man Uneingeweihten die Funktion des Zentralschlosses demonstrieren!
In der folgenden Beschreibung gehe ich weiterhin von Acrylglas aus, das praktisch für alle Anwendungsfälle ausreichen sollte (wenn nicht jemand auf die Idee kommt, seine Gartenbahn mit solchen Schlössern auszurüsten und erwartet, dass sie sich auch noch nach der jährlichen Frühlingsüberschwemmung mit Gewalt umsperren lassen – in diesem Fall sollte man doch eine Ausführung aus Stahl ins Auge fassen ...)

Die Grundplatte kann eine 12mm-Sperrholzplatte sein – aber vermutlich ist auch irgendeine beschichtete Spanplatte ok.

Dann braucht man noch Schrauben. An den Acrylglas-Teilen sehe ich versenkte M3-Schrauben vor – versenkt deswegen, damit die unteren Weichenschieber keine zusätzliche Auflage brauchen, die wieder Arbeit mit sich bringt. Zur Befestigung einiger Acrylglas-Teilen auf festen Holzteilen sollen 15mm lange und 30mm lange Spax-Schrauben dienen.

Zuletzt ist an einigen Stellen der Konstruktion ein Alu-Profilrohr mit 6mm Außendurchmesser erforderlich.

Alle diese Materialien sollte man für wenig Geld in jedem Baumarkt bekommen.


Überblick und Konstruktionszeichnungen


Die Konstruktion hat als Grundlage einen Raster von 36mm. Die Schieber sind 30mm breit. Als Führung der Schieber dienen unten 8mm-Holzdübel, die mit einem Stechbeitel so abgeflacht werden, dass die Schieber mit möglichst wenig Spiel dazwischen gleiten; der Grund für diese Konstruktion ist, dass damit Ungenauigkeiten bei der Schieberbreite abgefangen werden (meine Schieber wurden auf der Kreissäge etwas weniger als 29,5mm breit – nun ja). Am anderen Ende wird jeder Schieber bis zum ersten Rasterloch aufgeschlitzt und durch eine Schraube in der Grundplatte geführt.

Der Schieberweg beträgt 12mm. Die Zacken der Schlüssel und Prüfprofile haben 3mm Abstand, was bei einer Sägeschlitzbreite von bis zu 1mm zu mindestens 2mm breiten Zacken führt. Das Befestigungsloch der Prüfprofile ist unten, also asymmetrisch angebracht, damit ihre Ausrichtung klar ist.

Die folgenden Links gehen auf meine aktuellen PDF-Dateien der Konstruktion im Maßstab 1:1.


Einige besondere Konstruktionselemente



Die Zwangsführung des Schiebers


Zwangsführung von Konstruktionsteilen ist ein Kennzeichen sicherungstechnischer Mechanik. Mechanische Sicherungsanlagen ziehen ja sozusagen „mechanische Folgerungen“: Wenn das Teil X (etwa ein Hebel) in dieser Position ist, dann kann man sicher sein, dass das Teil Y (etwa eine Weichenzunge) in jener Position ist und daher z.B. sicher befahren werden kann. Eine Möglichkeit, solche Wenn-Dann-Beziehungen mechanisch sicherzustellen, ist, dass die Teile X und Y sich gegenseitig zwangsführen: Wenn sich X auf eine bestimmte Art bewegt, dann bewegt sich Y garantiert auf eine bestimmte andere Art.

Das grundlegende Konzept solcher Zwangsführungen ist der sogenannte Formschluss: Dabei wird im Gegensatz zum Kraftschluss sichergestellt, dass ein (nahezu) unverformbares Teil eben durch seine Form die Form eines anderen Teils zu einer Bewegung zwingt. Der Unterschied ist an den zwei einfachsten Getriebeformen schön sichtbar:
  • Beim Zahnradgetriebe treibt ein Rad das andere an, indem die Formen der Zähne sich verschränken. Das angetriebene Rad „kann nicht aus“, es muss den Zähnen folgen. Nur durch Bruch eines Zahnes oder eine Welle kann die Zwangsführung aufgehoben werden – das muss man durch entsprechende Dimensionierung der Teile verhindern.
  • Beim Riemengetriebe erfolgt die Übertragung der Bewegung durch die Reibung zwischen Riemen und Rädern. Wenn der Riemen sich ein wenig lockert (etwa durch Alterung), nimmt die Reibungskraft ab – einen Zwang der Kraftübertragung gibt es nicht.
(Auf einer physikalischen Ebene sind Formschluss und Kraftschluss nicht unterscheidbar – auch die Teile eines Körpers werden durch Kräfte zusammengehalten. Aber im praktischen Maschinenbau bleibt die Unterscheidung wesentlich).

Ich zeige hier kurz die Entwicklung der Zwangsführung eines Schiebers durch einen Schlüssel – nicht nur meine Modellkonstruktion, sondern auch echte Schlüsselwerke verwenden eine solche Führung.

Wir beginnen mit einer „Abstraktion“: Wir stellen uns vor, unser Schlüssel hätte Dicke null. Der Querschnitt des Schlüssels ist also ein ganz dünner Schaft, an dem ein ganz dünnes Blättchen als Bart befestigt ist. Hier sieht man diesen Schlüssel von vorne, also entlang des Schaftes (der dadurch nur als „dicker Punkt“ sichtbar ist):


In den Schieber schneiden wir zuerst einen rechteckigen Ausschnitt, und wir wollen, dass der Schlüssel am Beginn des Umsperrens zuerst im Schieber „nach unten“ steht, am Schluss der Bewegung „nach oben“:


Wir beginnen nun mit der Konstruktion der Bewegung.

Wie in einem Schloss üblich, soll sich der Schlüssel zuerst „leer“ bewegen, d.h., er soll den Schieber nicht mitnehmen.
  • Der erste Grund dafür ist, dass in einem richtigen Schloss hier zuerst die „Zuhaltung“ entriegelt werden muss, die den Schieber (oder Riegel) festhält.
  • Der zweite Grund dafür ist, dass Ungenauigkeiten in der Anfangsstellung des Schlüssels möglich sein müssen: In einem kleineren Bereich um die Ausgangsstellung müssen alle Schlüsselpositionen auf dieselbe Schieberposition stoßen.
  • Der dritte und eigentlich allein ausschlaggebende Grund ist aber die Distanz der Bewegung: Wie man am vorherigen Bild sieht, bewegt sich die Spitze des Schlüsselbarts von unten nach oben um zwei Bartlängen (von unterhalb des Schafts nach oberhalb des Schafts), der Schieber aber nur um eine Bartlänge. Wenn also die Bartspitze den Schieber bewegt, muss sie irgendwo unterwegs einen Leerlauf von der Differenz zwischen diesen beiden Distanzen, also einer ganzen Bartlänge haben.
Wir beginnen also die Bewegung mit einem Kreis um den Schaft. Wegen der Forderung der Zwangsführung muss auch der Ausschnitt im Schieber diesem Kreis folgen – sonst würde sich ja der Bart des Schlüssels vom Schieber entfernen, und der Schieber könnte ein Stück „auf- und abwackeln“:


Ich hoffe, es ist offensichtlich, dass hier der Schieber zwangsgeführt (oder eher „zwangsfestgelegt“) ist: Nach oben kann er sich nicht bewegen, weil die untere, kreisförmige Kante des Ausschnitts in jeder Schlüsselstellung an den Schlüsselbart anläuft. Nach unten geht es nicht weiter, weil die obere Kante des Ausschnitts am Schlüsselschaft ansteht.

Weil dieselbe Bewegung auch symmetrisch erfolgen soll, wenn wir den Schlüssel wieder zurücksperren, erweitern wir den Ausschnitt auch oben kreisförmig:


Wie weit verlängern wir diesen kreisförmigen Ausschnitt? „Auf Verdacht“ gehen wir einmal bis zum Schnittpunkt der zwei Kreise (es wird sich später herausstellen, dass das die einzig mögliche Wahl ist – aber das wissen wir noch nicht). Unser Schlüssel kann sich dann bis in die gezeigte Position begeben – aber dann „steht er an“, „klemmt“, kann nicht weiter:


Was tun wir? Wir geben ihm ein wenig Raum, in den Schieber „hineinzustechen“. Dann kann er – was ja Sinn der ganzen Sache ist! – den Schieber mitnehmen und nach oben schieben:


Die minimale Form dieses Zusatzausschnitts, sodass die Bartspitze exakt dessen Rand folgt, führt zu interessanten mathematischen Problemen, die uns hier aber wirklich nicht interessieren. Die nötige Tiefe des Zusatzausschnitts kann man sich aber leicht überlegen: Wir haben ja nach der üblichen Konstruktion ein gleichseitiges Dreieck konstruiert. Dessen Höhe ist die Wurzel aus 3/4 mal der Seitenlänge (Pythagoras!), also ca. 0,866 mal der Seitenlänge. Die Tiefe des Zusatzausschnitts muss also 13,4% oder etwa ein Siebtel der Bartlänge betragen. Wegen der Zwangsführung muss der „Eingangsschlitz“ des Zusatzausschnitts so schmal wie möglich sein, sodass der Bart gerade noch durchgeht – dann nimmt er bei seiner Drehung den Schieber präzise, also zwangsgeführt mit.

Nimmt er ihn aber weit genug mit? – oder womöglich zu wenig weit? Tatsächlich ist die Antwort weder–noch: Die Distanz passt genau!

Das kann man sich so überlegen: Der Drehwinkel des Bartes, bis er in den Schieber „einkuppelt“, ist 60°, wegen des oben erwähnten gleichseitigen Dreiecks. Auch der Winkel vom Verlassen des Schiebers bis zur Endposition ist symmetrisch dazu 60°. Daher bleibt dazwischen ebenfalls ein Winkel von 60°, und die zwei am folgenden Bild gezeichneten Positionen des Bartes bilden wieder ein gleichseitiges Dreieck, sodass die Bartspitzen bei Eintreten und Verlassen des Zusatzausschnitts genau um eine Bartlänge auseinanderliegen. So weit wird also der Schieber gehoben – aber das ist genau die Höhe des großen Ausschnitts, wie man am ersten Schieberbild sieht!


Theoretisch ist das Problem der Zwangsführung des Schiebers durch einen Schlüssel damit gelöst! Allerdings: Der Bart lässt in Wirklichkeit nicht papierdünn herstellen, sondern von einer gewissen Stärke, und dasselbe gilt für den Schaft. Also muss die Konstruktion noch „realistischer“ werden.

Unser nächstes Modell eines Schlüssels hat daher einen Schaft mit einer größeren Dicke, und auch das vordere Ende des Bartes stellen wir uns als Kreis (oder eigentlich als Zylinder) vor. Der Rest des Barts bleibt noch papierdünn:


Damit der Schlüsselschaft in den Ausschnitt des Schiebers passt, müssen wir dessen oberen und unteren Rand verschieben, und zwar jeweils um den Radius des Schaftes. Beim oberen Rand ist das offensichtlich, der untere Rand wird sich bei der umgesperrten Stellung von unten an den Schaft anlegen und muss daher auch um dessen Radius vom Drehpunkt entfernt sein. Die Bartlänge, gemessen vom Schaft weg, bleibt aber gleich wie vorher:


Den Zusatzausschnitt für das „Einkuppeln“ können wir einfach als Rechteck ausschneiden, in dem sich der „Bartspitzenkreis“ beim Umsperren etwas hin- und herbewegt. Wie tief das Rechteck sein muss, kann man leicht herausfinden, indem man den Kreisbogen der Bartspitze aufzeichnet und daran eine senkrechte Tangente zieht. Theoretisch erreicht diese Konstruktion allerdings keine vollständige Zwangsführung mehr (das merkt man aber nur bei einer sehr detaillierten Untersuchung). In der Praxis ist das zusätzliche Spiel des Schiebers aber kleiner als das sowieso nötige Spiel, damit die ganze Konstruktion leichtgängig arbeitet:


Damit sind wir fast fertig – wir müssen uns nur noch überlegen, was die Verdickung des ganzes Bartes für Konsequenzen hat:


Im vorherigen Diagramm sieht man, dass jene Stelle der Bartspitze, wo der „dicke Bart“ beginnt, gar nicht (oder vielleicht in der Mitte der Drehung ein ganz wenig) mit dem Rechteckausschnitt in Berührung kommt. Daher ist für die Kinematik des Ablaufs egal, ob der Bart dick oder dünn ist. Und damit können wir unsere Konstruktion endgültig so belassen! Als Zusammenfassung noch einmal die Bewegungsabläufe beim Umsperren von unten nach oben:
  • Im ersten Drittel der Bewegung des Schlüssels steht der Ausschnitt im Schieber oben am Schlüsselschaft an, unten bewegt sich der Bart genau entlang der Ausschnittkante. Daher kann sich der Schieber weder nach oben noch nach unten verschieben.
  • Im zweiten Drittel der Bewegung kuppelt die Bartspitze in den Rechteckausschnitt ein und nimmt den Schieber mit. Da die Bartspitze fast exakt in den Rechteckausschnitt passt, wird auch hier der Schieber zwangsläufig mitbewegt.
  • Das letzte Drittel spielt sich genau umgekehrt wie das erste Drittel ab – der Schieber bleibt daher auch hier in seiner Stellung festgelegt.
Und beim Umsperren von oben nach unten passiert das alles einfach in der umgekehrten Reihenfolge.
Eine Animation dieser Konstruktion ist im vorherigen Posting zu sehen.

In meiner Konstruktion habe ich den Rechteckausschnitt allerdings durch einen ungefähren Halbkreis ersetzt (die Hälfte eines gebohrten Loches), was sich leichter fertigen lässt und noch immer genau genug ist, um den Schieber zu bewegen.


Kreuzende Schieber


Die Weichen- und die Fahrstraßenschieber müssen sich natürlich in verschiedenen Ebenen kreuzen. In meiner Konstruktion liegen die Fahrstraßenschieber oben (der Grund dafür ist, dass im Weichenschloss nur Weichenschieber vorkommen und ich dort keine zusätzliche Komplexität einführen wollte). Man könnte dafür entweder die Fahrstraßenschieber samt ihren Schlössern in einer anderen Ebene aufbauen; oder diese Schieber müssen „gekröpft“, also in einer Art S-Kurve gebogen werden.

Damit die Schlösser alle gleich aufgebaut werden, folge ich dem Prinzip der Kröpfung. Allerdings sehe ich einfach vor, dass die Fahrstraßenschieber durchgeschnitten und der oben liegende eigentliche Schieber mit einer Zwischenlage auf den unteren, der vom Schlüssel bewegt wird, aufgeschraubt wird.


Einreihenschlüsselwerk, besondere Fahrstraßenausschlüsse


Vielleicht gefällt dem einen oder anderen die österreichische Anordnung mit der senkrechten Reihe von Fahrstraßenschlössern nicht. Dann soll es möglich sein, diese Schlösser ebenfalls unten neben den Weichenschlössern anzubringen und über eine Umlenkung einen waagrechten Fahrstraßenschieber zu bewegen. Dazu wird ein schräger Schlitz in den Fahrstraßenschieber geschnitten; der Weichenschieber erhält eine Schraube an einer besonderen Position, und ein Aluröhrchen dient der Verringerung der Reibung. Hier ist eine entsprechende Konstruktionszeichnung:
Eine gleichartige Konstruktion wird bei Blockschiebern im Einheitsstellwerk und im Rankapparat verwendet. Als Alternative könnte man wie im deutschen Einreihenschlüsselwerk auch einen Winkelhebel einbauen – das sollte mit einem kleinen Acrylplättchen auch nicht viel schwieriger sein...

Das Rastermaß von 36mm habe ich so bemessen, dass man den österreichischen „Schlosszickzack“ auch durch eine „deutsche“ waagrechte Reihe von Schlüssellöchern ersetzen kann. Es wird dann ein wenig eng mit den Schlüsseln, aber da sie ja senkrecht stehen und zu einem Zeitpunkt immer nur einer umgesperrt wird, sollte sich das auch ausgehen.

Das Patent mit der Umlenkung kann man auch verwenden, wenn es nötig ist, sogenannte besondere Fahrstraßenausschlüsse herzustellen, die sich nicht aus der Position der Weichen ergeben. In Österreich werden solche Ausschlüsse in der Regel erst am Signalstellwerk hergestellt, d.h. man kann die zwei feindlichen Fahrstraßenschlüssel entnehmen, aber nicht beide entsprechenden Signale freistellen. Da sind die Ansichten (und Vorschriften) aber verschieden ...


Hier mache ich einmal Pause mit den Konstruktionselementen. Im nächsten Posting werde ich auf die Anbindung von Weichen (und, in einer Zeile, Signalen) sowie auf das allgemeine Baukonzept eingehen. Und außerdem sieht man dort Fotos des Prototyps und einiger Lehren für den Bau.

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