Dienstag, 16. Oktober 2012

SBW500 und ein Oberbauproblem: Pottendorf-Landegg, 1986

Die Pottendorfer Linie wurde vor 100 und mehr Jahren von der Südbahn betrieben, daher waren dort auch Stellwerke der Bauart SBW500 (Südbahnwerke 500) aufgestellt. In Pottendorf-Landegg hatte eine der letzten dieser Anlagen mindestens bis 1986 überlebt.

Die Anlagen in der Fahrdienstleitung sind ein Sammelsurium verschiedener Techniken. Von links nach rechts sieht man unter anderem:
  • Ein Stellpult für ein Ersatzsignal (links daneben steht wohl noch eines, das man nur teilweise sieht).
  • In der Mitte das Befehlswerk mit Schieberkasten und Blockapparat; die Tasten über den Blockfeldern sind nach dem Ausbau des Felderstreckenblocks nicht ersetzt worden, daher wird z.B. das Ba-Feld nach Meidling vom linken Teil einer Dreifachtaste bedient!
  • Rechts außen sieht man noch den Schaltschrank für vier EK-Überwachungen:

Befehlswerk, Fdl, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Die Gleisauswahl erfolgt bei diesem Befehlswerk über Knaggen, über denen noch die alten gegossenen Schilder montiert waren. Man sieht, dass die Gleisnummerierung mit ungeraden Nummern auf der einen, geraden auf der anderen Seite in Österreich schon sehr lange verwendet wird:

Fahrstraßenknaggen, Fdl, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Fahrstraßenknaggen, Fdl, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Auf einer der Knaggen hängt eine Hilfssperre. Der erhöhte Ansatz verhindert hier das Umlegen der Knagge nach links; der Stift der Hilfssperre muss in das Loch unterhalb der Knagge eingesetzt werden, damit die Hilfssperre nicht verdreht werden kann:

Fahrstraßenknaggen und Hilfssperre, Fdl, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Hier sieht man, dass die Hilfssperre eine Einfahrt von Wr.Neustadt in das Gleis 1 verhindert. Das zweite Bild von oben zeigt, dass auch von Meidling her eine Einfahrt in Gleis 1 gesperrt war – ausgerechnet das durchgehende Streckengleis 1! Wieso denn das?

Fahrstraßenknaggen, Fdl, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Nun, der Bahnhof hatte ein Problem: Durch langjährige Vernachlässigung des Oberbaus war feiner Sand aus dem Unterbau in den Schotter eingedrungen. Dadurch wird der Oberbau immer wasserundurchlässiger, die Stabilität des Schotterbettes nimmt drastisch ab, und es beginnt bei Belastung zu "schwimmen", also sich hin- und herzubewegen. Nachdem eine Zeitlang im Gleis 1 eine Langsamfahrstelle für 10 km/h eingerichtet war, wurde das Gleis dann ganz gesperrt. An den Schwellen vor diesem Kleinwagen sieht man den "aufgepumpten" Feinsand deutlich:

"Draisine", Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Dieses leider unscharfe Bild zeigt die Schrankenüberwachungen rechts neben dem Befehlswerk. Die unteren beiden verwendeten ITT-Felder, bei den oberen war ein "Ad-Hoc-Design" zur Anwendung gekommen:

Schrankenüberwachung, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Am Stellwerk 1 stand eine wunderschöne, fast vollständige SBW500-Anlage.
  • Der Hebel ganz links ist ein Riegelhebel für einen Gleissperrschuh; die sichtbare weiß lackierte Hälfte der Kettenrolle zeigt, dass der Sperrschuh verriegelt ist.
  • Daneben folgen einige Weichenhebel.
  • Die Hebel, bei denen eine "halb weiße Kettenrolle" sichtbar ist, sind ebenfalls Riegelhebel in verriegelender Stellung. Bei der Bauart SBW500 gab es für Riegel (und Signale) solche Hebel mit 250mm Stellweg, wo die Kettenrolle nur um eine Viertelumdrehung verdreht wurde (Beispiele dafür sieht man auch in dem Posting mit SBW500-Anlagen aus Oberdrauburg und Steinfeld).
  • Ganz rechts folgt schließlich ein Hebel für das Gruppenausfahrsignal, und dann zwei Hebel für Einfahr- und Einfahrvorsignal. Wenn man allerdings genau schaut, sieht man, dass bei den beiden letzten Hebel keine Kette mehr vorhanden ist: Die Einfahrsignale waren schon durch Lichtsignale ersetzt!

Hebelbank und Blockapparat, Stw.1, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Bei der Bauart SBW waren keine durchgehenden Fahrstraßenschieber vorhanden. Das sieht man im folgenden Bild daran, dass der Oberkasten mit den Fahrstraßenknaggen rechts neben dem Gleisanzeiger aufhört und nicht bis zum Blockapparat durchgeht. Es gab allerdings einen "Fahrstraßenneutralschieber", also einen von links nach rechts gehenden Schieber im Unterkasten, der beim Umlegen jeder Fahrstraßenknagge verschoben wurde. Das Ff-Feld verschließt im geblockten Zustand diesen Neutralschieber und legt dadurch die Fahrstraße elektrisch fest.
Der Riegelhebel für die Weiche 2 hat hier eine Hilfssperre, damit diese Weiche in ablenkender Stellung verriegelt bleibt; und auf der Fahrstraßenknagge für Gleis 1 hängt wie in der Fahrdienstleitung ebenfalls eine Hilfssperre – beides natürlich deswegen, damit Einfahrten ins gesperrte Gleis 1 verhindert werden:

Hebelbank und Gleisanzeiger, Stw.1, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Dieses Bild zeigt die Signalhebel im Detail. Auf den rechten beiden fehlt, wie schon gesagt, die Kette. Der linke ist, wie auch die Riegelhebel, ein "halbstelliger Hebel", der zuerst leer bis auf mittlere Höhe gehoben werden musste, dann über die Handfalle mit der Kettenrolle gekuppelt und anschließend gestellt werden konnte. Da das zugehörige Ausfahrsignal in diesem Fall nur einen Flügel hat, kann der Hebel dann nur nach oben umgestellt werden – bei zweiflügeligen Signalen wäre auch ein Umstellen nach unten möglich:

Signalhebel, Stw.1, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Hier sieht man links oben das Schlüsselschalterwerk für die Einfahrsignale. Leider habe ich es nicht frontal fotografiert, sodass die Funktion des zweiten Schlüssels und der zwei sichtbaren Tasten nicht klar ist. Es scheint aber so zu sein, dass der linke rote Signalschlüssel nicht abgezogen werden konnte, sondern immer im Schalterwerk verblieb. Offenbar musste der Signalhebel für das Einfahrsignal umgelegt werden, dadurch wurde ein Kontakt geschlossen, und erst danach konnte mit dem Schlüssel das Signal freigestellt werden – ein etwas umständliches Vorgehen:

Hebelbank und Blockapparat, Stw.1, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Hier sieht man ein Detail des Ausfahrsignalhebels in Freistellung: Die Handfallenstange ist an der hakenförmigen Kupplung eingerastet, und der Hebel steht nun nach oben und hat dabei die Kettenrolle um eine Viertelumdrehung verdreht:

Stw.1, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Und hier sieht man das zugehörige Signal. Erstaunlicherweise ist es am Mast als H1-4 bezeichnet, obwohl es auch für das Gleis 3 gilt. Daher müsste es eigentlich als H3-4 bezeichnet wird, wie etwa das entsprechende Gruppenausfahrsignal in Petronell-Carnuntum:

H1-4, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Hier noch ein Bild des schon etwas "maroden" Stellwerksgebäudes:

Stellwerk 1, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Auf diesem Bild sieht man den ganzen Bahnhofskopf. Interessanterweise fehlt beim gesperrten Gleis 1 sogar die Fahrwegende-Tafel. Die Ausfahrgeschwindigkeiten für die befahrbaren Hauptgleise sind alle verschieden – von links nach rechts 40, 50 und 60 km/h. Und vor dem Stellwerk steht ein neu erbautes Gebäude – es sieht aus, also ob hier das Stellwerk noch umziehen hätte sollen: Ob es dazu aber je gekommen ist?

Stellwerk 1, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Am Stellwerk 2 stand im wesentlichen eine gleichartige Anlage. Hier sind allerdings alle Signalhebel schon ohne Ketten, d.h. alle Signale sind auf Lichtsignale umgebaut. Ob hier ein Gruppenausfahrsignal gebaut wurde oder ein eigenes Ausfahrsignal je Hauptgleis, weiß ich allerdings nicht mehr – und aus meinen Bildern lässt es sich nicht mehr eruieren. Auch hier ist die Weiche ins Gleis 1 – die Weiche 51 – mit einer Hilfssperre versehen, die hier allerdings auf dem Weichenhebel und nicht auf dem Riegelhebel angebracht ist. Und schön sieht man hier, dass beim Riegelhebel die Kettenrolle um eine Viertelumdrehung verdreht ist:

Hebelbank und Blockapparat, Stw.2, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Eine Hilfssperre hängt auch an der Fahrstraßenknagge für die Einfahrt ins Gleis 1:

Hebelbank und Gleisanzeiger, Stw.2, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Hier ein ziemlich dunkel geratenes Detail eines Weichen- und Riegelhebels:

Stw.2, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Das Gebäude des Stellwerk II (so war es beschriftet!) war viel größer als am gegenüberliegenden Bahnhofskopf ausgeführt, vielleicht weil es früher einmal einen freien Blick auf zwei Schranken haben musste? Jedenfalls sind die beiden Antriebe schon durch elektrische Antriebe abgelöst. Der aus Naturstein, Beton und Ziegeln errichtete Bau schaut ziemlich zusammengewürfelt aus:

Stellwerk 2, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

Das Bahnhofsgebäude andererseits war nett anzusehen, und jemand hat sich auch alle Mühe gemacht, die Fenster mit Blumenschmuck zu verzieren:

Bahnhof, Pottendorf-Landegg, 27.7.1986

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