Freitag, 16. März 2012

Lienz

Ich bin in Lienz aufgewachsen – eigentlich in Gaimberg, einem Dorf auf der Sonnseite oberhalb von Lienz. Als ich ca. mit 15 Jahren begonnen habe, beim Franziskaner-Pater Richard Kirchenorgel zu spielen, bin ich zumindest im Sommer jede Woche ein- oder zweimal zum Orgel-Üben in "die Stadt" gefahren – und da habe ich des öfteren einen Umweg über den Bahnhof genommen. Diese "Umwege" konnten schon einmal zwei Stunden brauchen, um auf der Westseite beim Verschub herumzuhängen. Und obwohl ich bald einen kleinen Fotoapparat mithatte, habe ich es nie für Wert befunden, die Gebäude aufzunehmen – das doch recht imposante Bahnhofsgebäude, das dreigleisige Heizhaus und die beiden sehr kleinen Stellwerke. Dieses Bild – das eigentlich ein anderes Motiv hat – zeigt wenigstens im Hintergrund den oberen Stock der zwei Trakte des Bahnhofs; und links zwei der drei Tore des Heizhauses:

Weiche 857, Lienz, Juni 1978

Das folgende Bild zeigt mein wichtigstes Transportmittel, am Gepäckträger die Orgelnoten-Tasche:

52.3816, Lienz, 3.3.1979

Und wenn ich mich schon mit Persönlichem aufhalte – hier ist ein Foto von mir bei der Abfahrt von Lienz nach Irgendwo:

Lienz, Sommer 1980?

Bevor ich mit den Sicherungsanlagen loslege, ein wenig zum Güterverkehr in Lienz. Lienz war damals Zugbildebahnhof. Leider habe ich die Zugnummern nicht mehr auswendig im Kopf, die mich jahrelang begleitet haben. Irgendwo habe ich noch alte Bildfahrpläne – da könnte ich das alles rekonstruieren; so müssen leider die spärlichen Notizen in meinem "Eisenbahntagebuch" herhalten – eine Sammlung von Schmierereien, aus denen ich auch die Datierung der Fotos versuche. Auf der ersten Seite vom 16.7.1978 steht dort:

Die Lienzer wissen nicht, wohin mit der ganzen Fracht (Innichen nimmt nur 2 Züge pro Tag, 78002X und 78010X).

(Anmerkung: Das X soll für das "Werktag"-Symbol stehen).

Und dann wird in einer Fußnote auf die zwei Fotos 118 und 120 verwiesen:

Zug 78002 mit 2043.64+.47+.76, 108 Achsen, Ausfahrt Lienz, 6.7.1978

Zug 78010 mit 2043.45 und zwei weiteren 2043, Ausfahrt Lienz, Juli 1978

Dreifachtraktion war für diese zwei Züge über lange Jahre üblich. Unter anderem wurden hier "Polski Fiat" von Polen nach Turin transportiert, dann relativ viel Langholz aus Österreich nach Italien, und "was sonst nicht über Tarvis ging". Die Polski Fiat sieht man übrigens, wenn man genau schaut, auf dem Bild von mir!

Im Tagebuch steht noch ein Satz am 18.7.1978:

Die 18 Lienzer 2043 sind jeden Tag alle im Einsatz – deshalb kann der 78010X bei Dreifachtraktion nur fahren, wenn der 78007X schon da ist (er erhält dann die Loks vom 78007X und vom 4603).

An Sonntagen, wo Innichen oft nur einen Zug angenommen hat, wurde schon auch die Grenzhakenlast überschritten und die dritte Lok als Zwischenlok eingereiht – oder sogar in Vierfachtraktion gefahren (zwei Vorspann, eine Zuglok, eine Zwischenlok). Leider habe ich von solchen dramatischen Fahrten kein einziges Foto gemacht. Und ich weiß auch nicht, warum ich nie meinen Vater einmal überredet habe, den 78010 im Pustertal aufzunehmen ... ich habe nur eine Reihe Fotos von dieses Zuges bei der Lienzer Ausfahrt.

Da die 2043 keine Vielfachsteuerung hatte, brauchte ein solcher Zug auch drei Lokführer – und nicht nur einmal ist nach dem "Anpfiff" der dritte Lokführer erst auf seine Maschine gesprintet und hat während des Anfahrens den Diesel angeworfen. Da die 2043 ca. 30 Sekunden (wenn ich mich richtig erinnere) vorglühen musste, ist der letzte Diesel oft erst angesprungen, wenn die 100 oder mehr Achsen schon über den Bahnübergang bei der evangelischen Kirche gerollt sind. Von dort habe ich die folgende Aufnahme geschossen:

3x 2043 vor 78010, Lienz, 25.10.1978

Apropos evangelische Kirche: Auch am Sonntag gab's einen Güterzug nach Innichen (ich glaube, den 78020); und bei viel Fracht ist der auch mit drei Maschinen gefahren. Seine Abfahrtszeit lag genau in der Gottesdienst-Zeit, ziemlich genau in der Predigt. Pfarrer Sturm (der später österreichischer Bischof wurde) hatte da im Sommer, wenn einige der Kirchenfenster gekippt waren, manchmal seine liebe Not, die drei voll aufgeschalteten Diesel zu übertönen; und wenn ich auf der Orgel saß, musste ich mich entscheiden, auf was ich mich nun mehr konzentrieren sollte: Gemeindegesangbegleitung oder Sich-dem-Diesel-Donnern-Hingeben ...

Das Tagebuch beginnt übrigens am 16.7.1978 mit dem Satz

Am 10.6.78 ist die 2062.14 nach Knittelfeld gegangen (irgendwas war kaputt), seither trägt sie die Aufschrift Zfl.Lienz (vorher Zfl.Knittelfeld).

Von dieser Fahrt gibt es auch ein Foto:

2043.67 mit dem 78007 und der (natürlich kalten) 2062.14, Lienz, 10.6.1978

Man sieht hier übrigens den alten Standort des Gruppenausfahrsignals R, weit hinter der Spitzenweiche. Im November 1978 wurde ein neues Signal aufgestellt, das nach der neuen Vorschrift sich direkt bei der letzten befahrenen Weiche befinden musste. Die Einzelteile lagen im November schon neben dem Heizhaus:

Neue Ausfahrsignale H und R, Lienz, 2.11.1978

Und im nächsten Sommer präsentiert sich die Ausfahrt Richtung Spittal nun so – Formsignal bei der letzten Weiche, E-Tafeln für die Fahrwegenden (rechts sieht man übrigens die erwähnten Polski Fiat ...):

Ausfahrt Lienz Richtung Spittal-M., Sommer 1979


Noch eine Anmerkung zum ersten Foto: Die Weiche 857 im Heizhausbereich hatte, wie zwei andere auch, keinen Spitzenverschluss. Daher war ihr Geweicht mit einem roten Anstrich gekennzeichnet, der bedeutet, dass das Stellgewicht bei der Fahrt gegen die Spitze niedergehalten werden muss. Allerdings haben auf dieser Seite des Heizhauses nur selten Fahrten stattgefunden – nur die Draisine der Bahnmeisterei hatte hier ihren Stammplatz.

Wenn ich in diesem Tempo weiterschreibe (9 Fotos in einem ewig langen Text), werde ich die nächsten 1000 Dias nicht mehr erreichen ... Ich werde mich also bei den nächsten Postings etwas kürzer halten.

9 Kommentare:

  1. Sehr tolle Fotos da war in Lienz noch was los!
    wohne auch in Gaimberg
    Hast du noch mehr fotos vom bhf. lienz?
    das war leider alles vor meiner Zeit!
    wohnst du auch noch in Gaimberg?

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    1. Hallo -
      Freut mich, dass sie dir gefallen! Aber 1980 bin ich nach Wien gegangen, und seit fast 15 Jahren wohne ich in der Gegend von München ... seither sind (fast) keine Fotos mehr in Lienz entstanden - so ist das, wenn's einen woandershin verschlägt ...
      Grüße
      Harald M.

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    2. Hallo,
      im Mai 2013 wird das Heizhaus als Museum eröffnet!
      http://www.dolomitenstadt.at/2012/10/24/lienz-streckt-300-000-euro-fur-heizhaus-vor/

      wie viele Fotos haben Sie den vom Bhf. Lienz?
      Und ist es möglich dass Sie mir einige fotos in Originalgröße per Mail senden?

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    3. Hallo - bisher sind in meinen Scans nur die aufgetaucht, die ich in den 6 Postings über Lienz (siehe Links unter "Lienz" auf der Bahnhöfe-Seite) und ein paar "übriggebliebenen" Postings veröffentlicht habe ⇒ am besten unter "Dieses Blog durchsuchen" Lienz eingeben, das müsste alle finden. Dem Verein der Eisenbahnfreunde Lienz habe ich vor ein paar Monaten schon eine CD mit den Original-Diascans geschickt; wenn du mir deine Postadresse an harald_m_mueller(bei)gmx.de schickst, schicke ich dir auch eine! Und den März 2013 werde ich mir einmal vormerken, vielleicht hab ich dann ja Zeit vorbeizukommen!
      Grüße
      Harald M.

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    4. Hallo,
      habe dir ein E mail geschrieben mit meiner Adresse
      hoffe es hat geklappt
      Danke im voraus
      Anton

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  2. In Lienz wurde offensichtlich die Signalisierung auf der Seite Richtung Spittal der Vorschriftenreform vorweggenommen. Die Vorschriftenreform ist ja erst 1980 in Kraft getreten. Trotzdem hat es laut dem Foto schon im Sommer 1979 in Lienz die Wegesignalisierung mit den E-Tafeln gegeben. Diese wurden ja erst mit der Vorschriftenreform 1980 eingeführt oder?

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    1. Ich müsste jetzt noch einmal nachgraben - aber ja, die neuen Signale sind 1979 schon gestanden, wenn nicht meine Tagebücher und meine Erinnerung grob danebenliegen. Vor der Vorschriftenreform war es allerdings meiner Erinnerung nach schon einige Jahre "üblich", neu aufgestellte Signale möglichst an der letzten Weiche aufzustellen, die Vorschrift ist also nicht "vom Himmel gefallen".

      (Dei Fahrwegendetafeln würde ich übrigens nicht "Wegesignalisierung" nennen - das ist eigentlich was ganz anderes ...).

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    2. Danke für den Hinweis. Trotzdem wüsste ich gerne, ob auch schon vor der Vorschriftenreform generell Fahrwegendetafeln aufgestellt wurden oder nicht.

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    3. Nach meiner Erinnerung (mehr habe ich nicht) war die Reform eine ziemlich große und lang eingefädelte Sache. Mit der Aufstellung der Fahrwegende-Signale (oder auch der Abtragung der Vorsignaltafen (K103)) wurde zumindest ein Jahr davor begonnen. Ich glaube sogar, dass 1980 alle (oder fast alle) Umbauten schon durchgeführt waren, wo's nötig war, d.h., es gab keine Übergangsfrist nach der Reform.

      Allerdings standen die entsprechenden Signale (etwa Fahrwegende-Signale) dann eine ganze Zeitlang sozusagen ohne formale Berechtigung herum, weil sie in die V2 von 1962 nicht mehr nachgetragen wurden.

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